Kunst Schau Fenster

Florian Gerer – THE OFFERING

Florian Gerer Florian Gerer, 2016

Juli bis August 2016
Eröffnung: Freitag, 1. Juli, 18 Uhr

In Florian Gerers Arbeit verschwimmen die Grenzen zwischen Öffentlichem und Privatem: Ein Bildarchiv aus Schnappschüssen, größtenteils in Schwarz-Weiß, die intime Urlaubsmomente genauso zum Bild gerinnen lassen wie ganz persönliche Blicke auf die Alltagsumgebung, ist Ausgangspunkt. Unter Verwendung von handelsüblichen Druckern, Kopierern und Nähmaschinen werden diese dann, die Bild- und Textkultur der Street Art zitierend, zu großformatigen Bildern und Installationen, aber auch Fanzines, Flyern und Stickern verarbeitet, mit denen der öffentliche Raum penetriert wird. Für seine Arbeit für die große Fensterfront der Galerie Hollenstein spielen Überlegungen zum Übergang vom Innen- in den Außenraum, zum Verhältnis von kulturellen, urbanen und natürlichen Räumen, aber auch ganz konkrete Überlegungen zu aktuellen Diskussionen um Verkehrs- und Bebauungskonzepte eine entscheidende Rolle.

Die Galerie bleibt im Juli und August geschlossen, es gibt keinen Ausstellungsbetrieb.

Fotos vom Ausstellungsaufbau und der Eröffnung mit Künstlergespräch, Drinks und Sound am 1. Juli gibt es hier...

Florian Gerer im Gespräch

Florian Gerer_Foto: Florian Gerer

mit Claudia Voit

Claudia Voit: Wir freuen uns sehr, dass du im Sommer das Kunst-Schau-Fenster der Galerie Hollenstein bespielen wirst und dafür eine neue Arbeit entwickelt hast. Sie ist speziell für diesen Ort konzipiert und thematisiert sowohl die Positionierung in einem Schaufenster, also an der Grenze zwischen halböffentlichem Galerie- und öffentlichem Straßenraum, als auch Lustenau als Gemeinde. Was hast du geplant?

Florian Gerer: Erstmal einen großen Dank an dich, mich freut die Einladung sehr! Als erstes kam für mich die Frage auf, was ich als Außenstehender mit Lustenau verbinde. Schnell kam der Gedanke an die Dualität von Natur und Verkehr: Die Verbindung dieser Gegensätze hat mich gereizt und im Schaufenster, also in der Kombination von Glas, Spiegelungen, Ebenen und Licht, habe ich die besten Voraussetzungen für die Umsetzung gesehen. Der Hintergrund besteht aus einer Collage von Fotografien von Autos, welche ich in der Nacht aufgenommen habe. Er stellt sich aus 90 A3-Formaten zusammen. Dabei wird jedes Blatt einzeln ausgeschnitten und dann zusammengenäht. Die Bahnen im Vordergrund entstanden ähnlich, sind aber kleiner und werden in Öl getränkt, um eine Durchsichtigkeit zu erzeugen. Den öffentlichen Raum finde ich immer spannend, da er vor allem Leute erreicht, welche sich vielleicht von der etablierten „Galerie-Kunst“ distanzieren beziehungsweise nicht den Zugang haben. Es bedeutet eine Art Leichtigkeit, etwas im öffentlichen Raum zu machen… keine Aufsichten, kein Tamtam...

Claudia Voit: Du arbeitest hauptsächlich mit Fotografie und hast eine ganze Reihe analoger Kleinformatkameras zu Hause und auch immer eine in der Hosentasche, mit der du Momentaufnahmen machst. Du arbeitest ausschließlich in Schwarz-Weiß, häufig sind feine Härchen und auch Staub auf den Motiven zu sehen – die Bilder sind spontan und herrlich unperfekt und haben deshalb auch diesen besonderen, leicht melancholischen Charme, der in Kontrast steht zu der Flut an perfekt bearbeiteten Hochglanz-Bildern, mit denen wir täglich konfrontiert sind. Was reizt dich an dieser Art der Fotografie?

Florian Gerer: Also für mich ist eigentlich das Unperfekte das Schöne, denn es spiegelt eher die „Realität“. Farbige Hochglanzbilder sprechen mich nicht an. Diese dienen dem Zweck der Vermarktung und müssen ein breites Publikum ansprechen - der öffentliche Raum ist gespickt mit solchen Bildern, welche eine vermeintliche Alltagssituation versuchen nachzuahmen und dabei höchst gekünstelt und nachbearbeitet sind. Das ist aber nicht das Leben. Mein Leben wird nicht mit einer Softbox ausgeleuchtet, warum soll ich dann dem oder der Betrachter_in eine rosarote Brille aufziehen? Diese Härchen, der Staub, die Kratzer, das spiegelt für mich das Leben. So wie es ist. Trotzdem ist innerhalb der Bilder noch viel Schönheit enthalten.

Claudia Voit: Der Titel der Arbeit lautet „THE OFFERING“ – ein mehrdeutiger Begriff, der sowohl übersetzt werden kann mit „Das Angebot“ im Sinne eines Geschenks, aber auch als „Das Opfer“. Ich weiß, dass du auch über alternative Titel nachgedacht hast, dich dann aber für diesen entschieden, weil er sehr offen bleibt und mehrere Deutungen zulässt. Was waren deine Überlegungen und wie wichtig ist der Titel?

Florian Gerer: Der Titel ist zentrales Element. Meist brauche ich für die Suche nach dem passenden sogar länger als für die Konzeption der Arbeit… Das hat auch sicherlich mit meinen Anfängen und meinem subkulturellen Umfeld zu tun, dem Skateboarden, Hardcore, Punk und damit verbunden auch den Künstlern, welche darin involviert sind, wie Raymond Pettibon und Winston Smith oder auch Bands wie Dead Kennedys, Crass, Fugazi, The Smiths, welche immer starke und lyrisch spannende Titel verwendeten. Die Überlegung für Lustenau war, diesen Zwiespalt zwischen Natur und Verkehrsmittel zu stärken. Wir sind alle davon betroffen… ich fahre ja selber auch Auto, bin aber auch gerne in der Natur. Das sind aber eigentlich zwei absolut gegensätzliche Dinge, welche sich nicht wirklich vertragen. Die Verdrängung der Natur für die Mobilität ist ein schwieriges Thema. Der Titel soll natürlich diese Dualität verstärken.

Claudia Voit: Als Pressemotiv für das Projekt hast du eine Fotografie gewählt. Darauf zu sehen sind Filmrollen und eine deiner Kameras, Kontaktabzüge, Negativstreifen sowie deine Hand, wie sie in einem Notizbuch Skizzen zur Arbeit für Lustenau zeichnet und schreibt – ein fast intimer Einblick in deine Arbeitsweise. Diese Betonung des Persönlichen steht denjenigen Techniken entgegen, mit denen du dann weiterarbeitest: Du benutzt handelsübliche Drucker und Kopierer, um deine Motive zu vergrößern und zu vervielfältigen. Du produzierst Flyer, Fanzines und Sticker – Druckmaterialien, die dazu gedacht sind, in großem Stil im öffentlichen Raum verteilt zu werden, ihn quasi damit zu durchlöchern und möglichst viele Leute zu erreichen. Wann hört für dich ein Motiv auf, persönliche und intime Erinnerung zu sein und wird zu einer öffentlichen Botschaft?

Florian Gerer: Wie eben schon erwähnt, sind Titel und Text wichtiger Bestandteil meiner Arbeiten. Möglicherweise hängt das auch damit zusammen, dass ich die Arbeiten nicht zum Selbstzweck mache. Sie sind immer ein Verteiler von Gedanken, manchmal auch Botschaften. Ich versuche, Philosophie, Literatur und meine eigenen Überlegungen direkt in den Arbeiten zu verankern. Meine Fotografien sind nie reine Fotografie, vorher gibt es immer schon Skizzen kombiniert mit Text, der den Grundgedanken und häufig schon den Titel aufgreift. Erst danach ergibt sich das Foto oder ich nehme ein passendes Bild aus meinem Archiv. Diese Produktionsart hilft mir zudem noch mehr, die Arbeit von Anfang bis Ende eigenständig zu machen. Ich fotografiere eigentlich ständig, sobald mein Auge etwas Interessantes sieht, und diese Bilder werden dann Teil meines Archivs. Wenn eine Ausstellung auf mich zukommt, gehe ich vom Ausstellungsort oder –raum aus, entwickle ein Konzept und bediene mich dieses Archivs: Ich entwickle die Bilder im Keller, scanne sie, gehe zur Kopierecke in Lustenau zum Druck und verarbeite anschließend diese Drucke zum angestrebten Format, wobei meine Nähmaschine eine große Rolle spielt. Installative Arbeiten wie die für Lustenau mache ich grundsätzlich wahnsinnig gerne, weil sie sich von der reinen Fotografie distanzieren und der handwerkliche Aspekt stärker betont wird – das ist übrigens auch der Grund für meine analoge Arbeitsweise. Genau diese Ambivalenz macht mir unglaublich viel Spaß!

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