Stephanie Hollenstein: Zeichnungen 1915-1917

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Sammlungsdepot
„Stephanie Hollenstein: Kriegszeichnungen 1915 bis 1917“
Neupräsentation von Zeichnungen aus der „Sammlung Stephanie Hollenstein“
Wiedereröffnung ab September 2020

Aktueller Hinweis: Die Sonderausstellung im Sammlungsdepot ist vorläufig bis Ende November geschlossen.

Zeitgleich mit dem biografischen Theaterstück „Hollenstein – ein Heimatbild“ von Thomas Arzt am Vorarlberger Landestheater wird im Lustenauer Depot ein Ausschnitt aus der „Sammlung Stephanie Hollenstein“ präsentiert. Die Kriegsjahre 1915 bis 1917 waren prägend für Stephanie Hollensteins Biografie. Nicht nur stammt ein großer Teil des in Lustenau verwahrten Nachlasses aus diesem Zeitraum, für die Künstlerin selbst waren ihr Einsatz an der Front als Soldat sowie ihre Tätigkeit als Kriegsmalerin der Monarchie identitätsstiftend. Freundschaften, berufliche Netzwerke und nicht zuletzt eine bewusste nachträgliche Instrumentalisierung dieser Episode für ihre Biografie bestimmen bis heute das öffentliche Bild dieser Künstlerin.

Der in Lustenau verwahrte bildnerische Nachlass Hollensteins besteht insgesamt aus über 1.200 Inventarnummern, darunter Ölbilder, Aquarelle und Skizzenbücher. Der größte Schatz allerdings sind die in den Mappenschränken verwahrten Zeichnungen: Sie machen nicht nur einen Hauptbestandteil der Sammlung aus, sie liefern auch das wahrscheinlich kontinuierlichste, vollständigste und nicht zuletzt persönlichste Bild von Stephanie Hollensteins künstlerischer Entwicklung und ihrem Bild-Interesse. Immer wieder präsentieren wir thematisch zusammengefasst Ausschnitte aus diesem Bestand, kommentiert in unserem Depot. Zeitgleich mit der Laufzeit des Theaterstücks „Hollenstein – ein Heimatbild“, das am 6. März Premiere im Vorarlberger Landestheater hat und auf Recherchen im Lustenauer Depot sowie im Historischen Archiv fußt, holen wir die Zeichnungen Hollensteins aus den Kriegsjahren 1915 bis 1917 aus unseren Schränken und ermöglichen anhand dieser, ergänzt um historische Dokumente, Fotografien und Schriften, einen intensiven Blick auf diese für Hollenstein so wichtige Zeit.

Im Mai 1915 schnitt Stephanie Hollenstein sich die Haare kurz, streifte sich eine Sanitäts-Armbinde über den Arm und zog vom allgemeinen Patriotismus getragen gemeinsam mit den Lustenauer Standschützen als „Stephan Hollenstein“ an die exponierte Südfront der bröckelnden Monarchie. Drei Monate leistet sie Dienst als Sanitätssoldat und hält die Posse aufrecht – gedeckt von ihren Kameraden und bewundert von Freunden und Familie. Im Herbst 1915 erhält sie schließlich Nachricht, dass sie offiziell als „Kriegsmalerin“ in das k. u. k. Kriegspressequartier einberufen wird. Im Laufe des Jahres 1916 ist sie in dieser neuen Funktion noch zwei Mal an der Front und dient der riesigen und diffizil organisierten Propagandamaschine der Monarchie. Zahlreiche Zeichnungen von Soldaten, Verwundeten, von Kriegslandschaften sowie vom Alltag an der Front sind aus dieser Zeit erhalten und werden mit der aktuellen Präsentation im Depot kritisch auf ihr propagandistisches sowie künstlerisches Potenzial hin befragt. Ihr Einsatz in den Kriegsjahren des Ersten Weltkriegs waren prägend für Stephanie Hollensteins weitere Biografie: Ihr berufliches Netzwerk baute auf Freundschaften und Bekanntschaften aus dieser Zeit auf und sie selbst betonte ihren „patriotischen Einsatz fürs Vaterland“ nachträglich immer wieder. Diese Jahre werden zum wichtigen Baustein ihrer Biografie und des retrospektiven Blickes auf diese Künstlerin, an dem sie selbst maßgeblich beteiligt ist: „Schreib dir selbst den Lebenslauf“, notierte die Künstlerin sich auf einem ihrer vielen bis heute erhaltenen Notizzettel.

 

21. 09.2020 / 19.00 Uhr
Dialog im Depot: Claudia Voit (Leiterin DOCK 20) und Oliver Heinzle (Historisches Archiv Lustenau) im Gespräch mit Schauspielerin Katrin Hauptmann, die im Stück "Hollenstein, ein Heimatbild" die Figur der Stephanie Hollenstein interpretiert. 

 

07.10.2020 / 19.00 Uhr
Dialog im Depot: Claudia Voit (Leiterin DOCK 20) und Oliver Heinzle (Historisches Archiv Lustenau) im Gespräch mit Ralph Blase, Dramaturg am Vorarlberger Landestheater und mitverantwortlich für die Produktion des Stücks "Hollenstein, ein Heimatbild". 

 

20.10.2020 / 19.30 Uhr
Hollenstein in ihren Briefen: Eine Lesung aus den Briefen aus dem Nachlass der Künstlerin wirft Schlaglichter auf die Person Stephanie Hollenstein, zeichnet Aspekte ihres Lebens nach, lässt Rückschlüsse auf ihre Persönlichkeit zu und bietet Anlass zum Gespräch, wie zum Beispiel über das Verhältnis von Kunst und Politik. Veranstaltung im T-Café im Vorarlberger Landestheater.

Für die Veranstaltungen im Schaudepot gilt eine Höchstteilnehmerzahl von 10 Personen. Teilnahme am Programm mit gültigem Ausstellungsticket (4 EUR / 3 EUR ermäßigt) frei. 

„MALEN und KÄMPFEN“ von Sarah Schlatter

Vitrine "Malen und Kämpfen" von Sarah Schlatter im Vorarlberger Landestheater
März bis April 2020

Zusätzlich zur Präsentation im Depot wurden sechs kolorierte Zeichnungen ausgewählt, die während der Spielzeit des Stücks „Hollenstein – ein Heimatbild“ im Foyer des Vorarlberger Landestheaters präsentiert werden. Die sechs gezeigten Blätter stammen aus dem in Lustenau verwahrten Nachlass Stephanie Hollensteins und entstanden alle 1916 während ihres Einsatzes als Kriegsmalerin des k. u. k. Kriegspressequartiers an der Italienischen Front.
Nachdem die Künstlerin im Jahr zuvor drei Monate gemeinsam mit den Lustenauer Standschützen als „Sanitätssoldat Stephan Hollenstein“ an der Front verbracht hatte, gedeckt von ihren Kameraden und bewundert von ihren Freunden und ihrer Familie, bemühte sie sich in der Folge intensiv um eine Funktion, die ihr eine Rückkehr an die Front ermöglichte.
Im September 1915 erhielt sie schließlich Nachricht, dass sie offiziell als „Kriegsmalerin“ in das k. u. k. Kriegspressequartier aufgenommen wurde. Im Laufe des Jahres 1916 war sie in dieser neuen Funktion zwei Mal an der Front und diente der riesigen und diffizil organisierten Propagandamaschine der Monarchie. Während für eine ganze Reihe von Künstler-Kollegen die mit dieser Funktion verbundene Vereinnahmung ihrer Kunst für propagandistische Zwecke ein Problem darstellte – Alfons Walde beispielsweise weigerte sich, offiziell für das Kriegspressequartier zu arbeiten – kann man das aus Hollensteins Werk nicht herauslesen. Die noch heute im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien verwahrten Blätter, welche die Künstlerin offiziell der Bild-Pressestelle ablieferte, unterscheiden sich motivisch wenig von ihren privaten Studien und Blättern, die sich im Nachlass finden.
Zahlreiche Zeichnungen von Soldaten, Verwundeten, von Kriegslandschaften sowie vom Alltag an der Front sind aus dieser Zeit erhalten. Keines dieser Blätter thematisiert, was das Grauen dieses „Großen Krieges“ wirklich ausmachte. Hollensteins Fokus liegt auf Porträts, die den einzelnen Soldaten als Individuum ins Bild rücken, auf Darstellungen vom Soldaten-Alltag abseits von Kampfhandlungen, auf Skizzen im Lazarett, die Genesung und Kameradschaft betonen. Sie vermeidet eine Darstellung der grausamen Realität eines von technischen Vernichtungsmitteln bestimmten Massenkrieges, in dem der Sieg nicht vom Einsatz einzelner Männer und deren Heldenmut entschieden wird, sondern durch die Masse von Material und Mensch.

Die von Sarah Schlatter entworfene Vitrine „MALEN und KÄMPFEN“ (2020), besteht aus zwei Elementen: Einer Glasvitrine, in der die Arbeiten Stephanie Hollensteins präsentiert werden, und zwei kommentierenden Klammern, bedruckt mit einer Textarbeit. Die Textauswahl traf die Künstlerin nach umfangreicher Recherche im schriftlichen Nachlass Stephanie Hollensteins. Sie kombiniert Auszüge aus Briefen und gesammelten Zeitungsartikeln, Merkzettel mit Notizen und von Stephanie Hollenstein händisch gemachter Unterstreichungen in Büchern. Als kritischer Kommentar zu Hollensteins Werk öffnet Schlatters Textauswahl den Blick auf die vom Kampf faszinierte Gedankenwelt der Malerin und ermöglicht es, die Kontinuitäten in Sprach- und Ideenwelt Hollensteins aus der Zeit des Ersten Weltkriegs bis zu ihrer Begeisterung für den Nationalsozialismus herauszulesen.

Sarah Schlatter (geb. 1982 in Feldkirch) lebt als Künstlerin in Berlin und Vorarlberg. Sie konzipiert und erarbeitet Ausstellungen, öffentliche Interventionen und Kunstwerke. Mit unterschiedlichen Medien kommentiert sie Spuren, die an Orten und in Archiven hinterlassen werden, um sie in aktuelle Diskurse einzubringen. Bereits 2017 hat sie sich gemeinsam mit Jakob Weingartner anlässlich einer Ausstellung im Kunstraum der Galerie Hollenstein intensiv mit Stephanie Hollensteins schriftlichem Nachlass beschäftigt.

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