2021.04

Gesine Probst-Bösch: Zehn Pfeile, ein Herz und eine Seele

DOCK 20 – Kunstraum und Sammlung Hollenstein in Kooperation mit dem vorarlberg museum

Laufzeit: verlängert bis 6. Februar 2022!

„Vielleicht sind Hauptwege Umwege, die Nebenwege zu Hauptwegen machen?“, notierte Gesine Probst­-Bösch (1944–1994) Anfang der 1990er über ihren persönlichen Zugang zur Malerei. Und weiter: „Sollte aber nicht jeder Weg so begangen werden, als sei er der Hauptweg und als sei der Gehende ohne Schuhwerk?“. Die Metaphorik der sich barfuß voran tastenden Künstlerin, die sich in ihrem komplexen Spätwerk nochmals unbekannten Routen malerischen Schaffens zuwendet, illustriert ihre ausge­ prägte Sensibilität und Emotionalität, die sich in den Arbeiten deutlich niederschlägt.

Gesine Probst, geboren 1944 in Weimar, lernte während ihres Studiums an der Akademie der bildenden Künste in Wien den Vorarlberger Maler Richard Bösch kennen und zieht Ende der 1960er­ Jahre mit ihm in seine Heimat. Ihre Arbeit verlagert sich sukzessive in die Literatur. Zunächst verfasste sie Gedichte, dann Prosa, später Hör­spiele. Erst Ende der 1980er­ Jahre findet sie über den Umweg der Zeichnung zurück zur Malerei. 1989 zieht sie nach München, wo sie bis zu ihrem frühen Tod 1994 bleibt.

In sieben Mappen und einer blauen Schachtel lagern seitdem fast 600 Blätter, die in Tusche und Buntstift, Kreide und Öl ihre Gedanken, Beobachtungen und Reflexionen aus ihrem letzten Lebensabschnitt dokumentieren. Der bisher nur in kleinen Ausschnitten publizierte bildneri­sche Nachlass aus den Jahren 1989 bis 1994 ist von im­menser Dichte und zeigt eine rasante stilistische Ent­wicklung innerhalb weniger Jahre, doch auch die Sujets verändern sich. Aus der detaillierten Betrachtung von Gegenständen des Alltäglichen und der Natur sowie Sym­bolen ihrer Gefühlswelt kristallisieren sich zunehmend fragmentarische Motive, die an die Grenze des Figurativen reichen.

Sind ihre Zeichnungen aus den Jahren 1989/90 noch gekennzeichnet von lockeren Strichen, mit denen sie prä­zise und reduziert den menschlichen Körper bearbeitet, sind die vermehrt malerischen Arbeiten von 1992 durch eine starke Materialität und zunehmende Ballung der Bildobjekte geprägt. Eine Zäsur bringt ihr Australienauf­ enthalt 1993. Er veranlasst sie zu einer neuen Farbpalette und neuen bildsprachlichen Mitteln, die die starken Ein­ drücke der Landschaft, aber auch der indigenen Kosmo­logie des Kontinents auf die Künstlerin widerspiegeln. In dieser Zeit arbeitet sie ein letztes Mal mit expressi­ven Farben – sonnigem Gelb oder erdigen Rot­- und Brauntönen – an ihren Naturbeobachtungen, bevor sich ihre Arbeit fast nur mehr den eigenen, inneren Prozessen widmet. Der sich zunehmend verengende und auf Details konzentrierte Blick gegen Ende ihres Lebens findet malerisch Ausdruck in den häufig wiederholten, frag­mentieren Bildobjekten, die auf den auf 1994 datierten Blättern immer wieder auftauchen. Oft ausschließlich mit schwarzer Tusche gezeichnete Gegenstände in leeren Bildräumen lösen sich zunehmend auf. Abstrakte Malereien in Gouache enthalten lediglich unendlich er­scheinende, diffuse Farbräume.

Gesine Probst-­Böschs künstlerisches Schaffen ent­ wickelte sich immer entlang ihrer persönlichen Wahr­nehmung der Welt und spiegelt somit ausdrucksstark ihre ausgeprägte Empfindsamkeit sowie ihren präzisen künstlerischen Blick auf ihr Leben und ihr Umfeld.

Die umfangreiche Solo­Schau, die das DOCK20 in Ko­operation mit dem vorarlberg museum realisiert, ermöglicht den BesucherInnen erstmals einen aufge­arbeiteten Zugang zu der teilweise von starker Dunkel­heit geprägten, aber auch spielerisch­-humorvollen Gedanken­ und Motivwelt dieser Künstlerin.

Zur Ausstellung erscheint eine umfangreiche Publikation.

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