2025.03: Maja Behrmann

Laufzeit: 20.9.–6.12.2025
Eröffnung: 19.9.2025, 19:00
In ihrer ersten Einzelausstellung in Österreich verwandelt die Leipziger Künstlerin Maja Behrmann die Ausstellungsräume des DOCK 20 in ein sensorisches Experimentierfeld. Knallige Farben, opulente Formen, Skulpturen, Collagen, Malereien und Zeichnungen stapeln und schichten sich zu einem visuellen Parcours und einem lebendigen Archiv.
Erstmals arbeitet Behrmann mit kinetischen Konstruktionen, die ihre Werke in sanfte Rotationen versetzen. Damit setzt sie eine künstlerische Versuchsreihe fort, deren Ursprung bereits in ihrer Studienzeit in Leipzig liegt. Dort studierte sie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst zunächst in der Klasse für Buchkunst und Grafikdesign und schloss anschließend 2021 mit einem Diplom in Malerei und Grafik ab. Von 2022 bis 2023 war sie Meisterschülerin bei der Textilkünstlerin Caroline Achaintre an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle (Saale).
Ihr Interesse an der Bedeutung von Formen und Farben nahm ihren Ausgang in der Zeichnung und Typografie und fand später Ausdruck in Malerei, Collage, Maschinenstrickerei sowie in der räumlichen Dimension der Plastik. Wie die Künstler:innen der frühen Avantgarden und des Bauhauses hinterfragt auch Behrmann die strikte Trennung zwischen bildender Kunst, Design und Gebrauchsästhetik.
Ihre Ausstellungen konzentrieren sich nicht auf Einzelwerke, sondern präsentieren ihre farbintensiven Arbeiten als Ensemble in einem Bühnenraum, dessen Szenografie sie aktiv mitgestaltet. Assoziationen an die ikonischen Kostüme und Bühnenbilder des
Triadischen Balletts (1912) von Oskar Schlemmer werden ebenso geweckt wie Anklänge an das italienische Design der 1960er-Jahre. Behrmann spielt gezielt mit Näheverhältnissen, führt die Betrachter:innen auf visuelle Fährten – und lässt sie bewusst ins Leere laufen.

Der titelgebende Begriff der der Ausstellung – Quale – verweist auf ein zentrales philosophisches Problem, das seit dem 18. Jahrhundert diskutiert wird: die subjektive Wahrnehmung der Welt durch die Verarbeitung von Sinneseindrücken.
Bereits 1739 schrieb der schottische Aufklärer David Hume, dass „wir uns keinen Begriff vom Geschmack einer Ananas bilden [können], ohne diese tatsächlich gekostet zu haben.“ Dieses Beispiel veranschaulicht das philosophische Konzept des „Quale“ (Singular), das die subjektive Qualität einer bewussten Erfahrung beschreibt – etwa den Geschmack einer Frucht, das Rot eines Stoffes oder das Timbre eines Tons. Solche Erfahrungen – „Qualia“ im Plural – sind nicht vollständig in Sprache oder deskriptive Begriffe zu übersetzen, weil sie nur durch unmittelbares Erleben erfasst werden können und sich individuell unterscheiden.
In Behrmanns Werk wird dieses Spannungsverhältnis zwischen visuellem Reiz, körperlicher Erfahrung und sprachlicher Unzugänglichkeit zum zentralen Thema. Ihre Installationen fordern keine bloße Betrachtung, sondern eröffnen einen körperlichen Zugang zur Kunst, der über die bloße Interpretation des Gesehenen hinausgeht. Einen Zugang, der dem Wesen der Qualia näherkommt als jeder Versuch einer theoretischen Beschreibung.
Für ihre stetig wachsende Formensammlung unternimmt Behrmann Erkundungstouren durch die Vitrinen und Sammlungen klassischer Museen Alter Meister oder für angewandte Kunst. Dabei interessieren sie sowohl die Objekte selbst als auch deren Ordnungssysteme. Neben kanonischen Positionen der Kunst- und Designgeschichte gilt ihr Interesse insbesondere regionalen Handwerksverfahren und Produkten. Ob Luster, Kronleuchter oder erzgebirgische Schwibbögen – alle Motive werden über Umrisslinien, Scherenschnitttechniken und Neukompositionen abstrahiert und in ihr künstlerisches Repertoire integriert.
Zur Realisation ihrer Werke arbeitet Behrmann häufig im Austausch mit Handwerker:innen. Wiederholte Verwendung finden insbesondere gedrechselte Formen. Die technische Logik des Drechselns – radialsymmetrisch, allansichtig, reproduzierbar, ohne individuelle Handschrift – bestimmt dabei die ästhetischen Eigenschaften ihrer Objekte. Diese fungieren als autonome Farb- und Formkörper im Ausstellungsraum. Referenzen aus klassischer Musiktheorie, Bühnenarchitektur und Gebrauchsästhetik fließen in ihre modularen Tableaus ein.
Seit einigen Jahren entwickelt Behrmann Rauminstallationen, in denen die Grenzen zwischen Werk und Ausstellungsarchitektur zunehmend durchlässig werden. Ihre Formen finden in Tapeten und Wandbemalungen genauso Verwendung wie in den skulpturalen Objekten. Durch die gezielte Variation und Wiederholung ihres Formenvokabulars lassen sich sämtliche Elemente neu arrangieren, kombinieren oder dekonstruieren.
Beinahe bürokratisch werden sämtliche Neuzugänge jeder Ausstellung fotografisch dokumentiert und systematisch erfasst. In ihrem fortlaufend wachsenden Archiv, das sie katalogartig ordnet, entstehen dadurch immer neue – mitunter überraschende – formale Nachbarschaften. So laufen alle Ausstellungen wieder bei Behrmann selbst zusammen und bilden ein offenes, sich ständig erweiterndes Geflecht aus Beziehungen, Variationen und Re-Kombinationen an Formen, zu dessen Ausbreitung die neue Show beiträgt.



Maja Behrmann (*1994 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet in Leipzig) studierte 2015 bis 2017 Buchkunst und Grafik-Design an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und absolvierte 2021 ihr Diplom in der Fachklasse für Malerei und Grafik bei Christoph Ruckhäberle. Anschließend war sie von 2022 bis 2023 Meisterschülerin bei Caroline Achaintre an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle (Saale).
Sie entwickelt in ihrer künstlerischen Praxis, welche sich zwischen Malerei, Installation, Objekt- und Textilkunst verorten lässt, Formengefüge und raumgreifende Ensembles aus farbintensiven Holzskultpuren, fluidem Strick und collagierten Tableaus. Ihr Repertoire an Formfragmenten und elaborierten characters wurzelt aus einer bürokratischen Prozedur aus Sammel- und Ordnungsprozessen und wuchert stetig weiter. Sowohl die Bezüge zueinander, Zwischenformen und Überschneidungen, als auch die Bedingtheiten der Materialien generieren immer neue Arrangements und Auswüchse.
Neben zahlreichen Auszeichnungen werden die Werke von Maja Behrmann in Einzel- und Gruppenausstellungen international präsentiert, wie etwa in der AKI Gallery in Taipei, Taiwan, der Universitätsgalerie der Angewandten in Wien, Österreich, den Kunstsammlungen Max-Pechstein-Museum in Zwickau, der Kunsthal Charlottenburg in Kopenhagen, Dänemark oder im Kunstquartier Bethanien in Berlin.